Preußische S 2 (Bauart Erfurt/Hannover) der Preußischen Staatsbahn

Preußische S 2 Bauart Erfurt - Die Lokomotive, August 1910
Preußische S 2 Bauart Erfurt - Die Lokomotive, August 1910

Bei der Dampflok Preußische S 2 wird das „Hannoversche Drehgestell“ eingesetzt, die Lokomotivlast wird ohne den Drehgestellrahmen zu beanspruchen, durch seitliche Gleitbacken auf zwei Längstragfedern übertragen, die zwischen den Wangen eines doppelten Schwanenhalsträgers aufgehängt sind. Diese stützen sich unmittelbar auf die Achslagerkästen. Der entlastete Drehzapfen führt das Drehgestell mit einem seitlich im Drehgestellrahmen quer verschiebbaren Gleitstück. Zwei Wickelfedern erzeugen die Rückstellkraft, die später durch Blattfedern ersetzt werden. Den Drehzapfen verlegt man später in die Mitte. Noch lange Zeit wird das „Hannoversche Drehgestell“ verwendet.

Nach Fertigstellung der beiden als Bauart Hannover bezeichneten Schnellzuglokomotiven kommen diese zur Betriebswerkstatt Hannover. Bei Versuchsfahrten stellt sich heraus, dass sie nicht die gewünschte Leistungssteigerung erbringen. Sie werden im norddeutschen Raum vor D-Züge eingesetzt. Die Eisenbahndirektion Altona übernimmt nachdem die Direktionsgrenzen verschoben werden die beiden Maschinen der Bauart Hannover, wo sie danach bei er Betriebswerkstatt Harburg stationiert werden. Sie werden in Altona 448 und 449 umgezeichnet. Eingesetzt werden sie auf der Strecke Hamburg-Hannover. 1907 erhalten sie die neuen Bahnnummern 101 und 102 und das Gruppenzeichen S“. 1912 werden sie nach einem Einsatz von 5 Jahren im Schnellzugdienst aus dem Verkehr genommen und ausgemustert.

In 1892, ein Jahr nach dem Bau der Bauart Hannover, wurden vier weitere Maschinen für die Direktion Erfurt hergestellt.
Zwei davon in Zwillings-Bauart und zwei ebenfalls in Verbundbauart. Diese hatten bauartbedingte Schwierigkeiten bei der Anfahrt, weswegen nur die Zwillingsausführung in 148 weiteren Exemplaren weitergebaut wurde. (Preußische S 2 Bauart Erfurt (Preußen) ). Die Erfurter Verbundmaschinen wurden 1912 als Halle 103 und 104 ausgemustert.

Entwicklung und Bau

Das öffentliche Bedürfnis nach schnelleren und leistungsfähigeren Lokomotiven ist nach der lang anhaltenden Wirtschaftskrise der siebziger und achtziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts noch zu gering. In Preußen regt sich im Eisenbahnwesen wieder neues Leben. Für eine Steigerung der Schnellzuggeschwindigkeiten setzen sich die technischen Vereine und die Fachpresse ein. Es wird auf England, Frankreich und Amerika verwiesen, wo zu dieser Zeit schon höhere Geschwindigkeiten als in Preußen üblich sind. Der damalige preußische Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach entsendet daraufhin namhafte Fachleute nach England und in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo sie die Verhältnisse der Lokomotivtechnik und aller damit zusammenhängenden Problem studieren sollen. Auch Mitglieder der Eisenbahndirektion Magdeburg, Büte und August von Borries, damals Königlicher Eisenbahndirektor in Hannover, der einen großen Namen als Lokomotivkonstrukteur besitzt, befinden sich darunter. In den USA studiert August von Borries das amerikanische Eisenbahnwesen.

Nicht ohne Einfluss auf die Lokomotiventwicklung bleibt sein ausführlicher Reisebericht. Ihm gibt man die Möglichkeit seine Entwicklungen fortzusetzen. Bei der Firma Henschel in Kassel beginnt im Frühjahr 1890 die Entwicklung der Schnellzuglokomotive, an der August von Borries maßgeblich beteiligt ist. Man will mit dieser Maschine höhere Geschwindigkeiten und damit kürzere Fahrzeiten im Fernreiseverkehr erreichen. Zwei Lokomotiven werden zunächst von der Preußischen Staatsbahn in Auftrag gegeben. Gegenüber der pr. S 1 (Bauart Magdeburg) besitzen sie zwar die gleiche Rostfläche, aber eine um zwölf Prozent größere Heizfläche. Die Zylinderdurchmesser werden vergrößert. Die Rauchkammer hat eine Größe von 900 mm. An der Heusinger-Steuerung werden weiter Veränderungen vorgenommen. Da bei der noch immer recht tiefliegenden Kessellage die Hängeeisen zwischen Aufwerfhebel und Schieberstange zu kurz geraten wären, ordnet man unten am Gleitbahnträger auf jeder Seite eine Blindwelle an, die mit Winkelhebeln und Stangen einerseits mit dem Aufwerfhebel und andererseits mit der Schieberschubstange verbunden ist. Kolbenschieber erhält der Hochdruckzylinder, der Niederdruckzylinder Flachschieber.

Das neue Drehgestell ist jedoch die wichtigste Erneuerung, das unter dem Namen „Hannoversches Drehgestell“ bekannt wird und sich durch eine kaum zu übertreffende Einfachheit bei der Lastübertragung auszeichnet. Die Mehrleistung bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h beträgt etwa zehn Prozent und liegt damit unter dem erwarteten Wert. Dies ist auch einer der Gründe warum auf einen Serienbau verzichtet wird. Nach 1892 werden die beiden Loks mit der Druckluftbremse (Bauart Westinghouse) ausgerüstet. Die Kuppelradsätze erhalten eine beidseitige Abbremsung. Rechts neben dem zweiten Kesselschuss ordnet man die Luftpumpe an. Das kurze Führerhaus weicht später einem längeren. Nach 1897 wird die Anfahrvorrichtung dieser Maschine durch den Dultz-Wechselschieber ersetzt.

Technische Daten

Bezeichnung Altona 448 und 449, ab 1907 Altona 101, 102 – Halle 103 und 104
Land Deutschland
Anzahl 4
Hersteller Henschel
Baujahr 1891
Ausmusterung bis 1912
Bauart 2’B n2v
Spurweite 1435 mm
Länge über Puffer 15.380 mm
Höhe
Dienstmasse 49,5 t
Höchstgeschwindigkeit vorwärts 100 km/h
Höchstgeschwindigkeit rückwärts
Indizierte Leistung
Kuppelraddurchmesser
Treibraddurchmesser 1.960 mm
Laufraddurchmesser vorn 980 mm
Laufraddurchmesser hinten
Zylinderdurchmesser 440 mm
Zylinderanzahl  2
Kolbenhub 600 mm
Kesselüberdruck 12 bar
Tender pr 3 T 10,5
Wasservorrat 10,5 m³
Brennstoffvorrat 4 t